Ein London Cab von Clevershuttle fährt über eine Brücke. Credit: Clevershuttle / Finn Fredeweß

CleverShuttle-Aus: Emotionaler Brief der Mitarbeiter an den Bahn-Vorstand

“Es geht um mehr als Stellen. Es geht um Existenzen.” Mit emotionalen Worten richten sich die Fahrerinnen und Fahrer von CleverShuttle an den Bahn-Vorstand und protestieren gegen das Aus in vielen Städten.

“Es geht um mehr als Stellen. Es geht um Existenzen.” Mit emotionalen Worten richten sich die Fahrerinnen und Fahrer von CleverShuttle an den Bahn-Vorstand und protestieren gegen das Aus in vielen Städten.

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Das Aus kam plötzlich: Das Ridesharing-Dienst CleverShuttle wird sofort in Dresden, Hamburg und Berlin eingestellt, wie wir berichtet haben. Das Start-up wurde vor einigen Jahren mehrheitlich von der Deutschen Bahn für eine zweistellige Millionensumme übernommen und löste damit Investoren wie den Autokonzern Daimler ab.

CleverShuttle fällt offenbar Corona-Pandemie zum Opfer

CleverShuttle fiele die Entscheidung nicht leicht, hieß es, jedoch sei unter den derzeitigen Umständen ein wirtschaftlicher Betrieb nicht möglich. Hintergrund sind wirtschaftliche Probleme bedingt durch die Corona-Pandemie sowie ein Sparzwang beim Mutterkonzern.

Betroffen von der Schließung sind zunächst die Metropolen München, Berlin und die Großstadt Dresden. Der Betrieb in Düsseldorf, Kiel und Leipzig läuft wie bisher weiter.

Zum Thema: Sofortiges Aus! CleverShuttle stellt Betrieb in Berlin, München und Dresden ein

“Mehr als ein Posten im Budget”

Nun haben sich die Fahrerinnen und Fahrer von CleverShuttle in einem emotionalen Brief an den Vorstand der Deutschen Bahn gewandt. Darin heißt es: “Es geht um mehr als Stellen, die nur gestrichen wurden. Es geht um 650 Existenzen – um uns. Wir sind Frauen, Männer und ganze Familien aus vielen Ländern, die arbeitslos werden und die Sicherheit verlieren, die uns CleverShuttle mit einer sozialversicherten Beschäftigung, festem Stundenlohn und geregeltem Urlaub gibt.”

CleverShuttle sei mehr als eine Zahl oder ein Posten im Budget. “Wir sind Deutschlands erster RidePooler. Wir bringen Menschen zusammen, indem wir mit unserer App die einzelnen Fahrgäste zu Fahrgemeinschaften bündeln.” Die Autoren des Briefs sehen sich als stolze Tochter der Deutschen Bahn.

Der Brief der CleverShuttle-Mitarbeiter an die Deutsche Bahn in voller Länge:

Sehr geehrter Herr Dr. Lutz, sehr geehrter Herr Huber,
sehr geehrte Vorstandsmitglieder der Deutschen Bahn,

650 Stellen sind bei CleverShuttle an drei Standorten gestrichen worden. Stellen, nein. Es geht um mehr als Stellen, die nur gestrichen wurden. Es geht um 650 Existenzen – um uns. Wir sind Frauen, Männer und ganze Familien aus vielen Ländern, die arbeitslos werden und die Sicherheit verlieren, die uns CleverShuttle mit einer sozialversicherten Beschäftigung, festem Stundenlohn und geregeltem Urlaub gibt. Wo sollen wir jetzt arbeiten? Sollen wir wieder zurück zu den Heuschrecken, die uns in Subunternehmen beschäftigen, in die Scheinselbstständigkeit zwingen und offen gegen Gesetze verstoßen?

CleverShuttle ist mehr als eine Zahl oder ein Posten im Budget. Wir sind Deutschlands erster RidePooler. Wir bringen Menschen zusammen, indem wir mit unserer App die einzelnen Fahrgäste zu Fahrgemeinschaften bündeln. Mehr als 4 Millionen Menschen haben wir so bereits von Tür zu Tür befördert. Dabei wurden 60% bis 80% aller Fahrten geteilt. Am Konzept kann es also nicht liegen.

Wir sind stolz, Tochter der Deutschen Bahn und Teil der starken Schiene zu sein. Wir sind stolz, Bahngäste vom Bahnhof nach Hause zu bringen und so die Reisekette zu schließen. Wir sind stolz, dass wir nur Wasserstoff- und Elektrofahrzeuge verwenden und jeder Kilometer, den wir zurückgelegt haben, 100% emissionsfrei ist. Wir sind stolz, eine Säule der Neuen Mobilität zu sein: digital und emissionsfrei. Sollte die Bahn diese Neue Mobilität nicht eher fördern als zerstören? Will die Deutsche Bahn sich wie beim Fernbusmarkt wieder kampflos zurückziehen und Ausbeutern das Feld überlassen?

Ja, es sind schwierige Zeiten und es muss überall gespart werden. Wir müssen und können die Krise aber nur bewältigen, wenn wir zusammenstehen. Wir haben unseren Teil bereits durch Kurzarbeit und weniger Gehalt geleistet, bitte lassen Sie uns unsere Existenzgrundlage.

Wir bitten Sie,

Herr Dr. Lutz, Herr Huber, Herr Dr. Holle, Frau Prof. Jeschke, Frau Dr. Nikutta, Herr Pofalla, Herr Seiler,
und Herr Bundesminister Scheuer,

jetzt auch Ihren Teil zu leisten und uns nicht im Stich zu lassen. Die Verantwortung für unsere Existenzen liegt bei Ihnen.

Hochachtungsvoll
Ihre Fahrer und Fahrerinnen von CleverShuttle

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4 comments
  1. Schweres Los, keine Frage. Eine Erfahrung die wahrlich nicht nur Fahrer von CleverShuttle machen. Auch UBER-Fahrer und Taxifahrer sind ebenso davon betroffen. Auch Konzerthallenmitarbeiter oder Musiker. Wohin wenden sich die alle?
    Aber was haben denn die CleverShuttle-Fahrer und -fahrerinnen zuvor gemacht? Das wäre doch mal interessant zu wissen. Können sie in diesem Fall nicht einfach dorthin zurück? Oder was anderes machen?
    Offensichtlich möchten sie mit CleverShuttle Geld verdienen, und ob ihr Arbeitgeber auch Geld verdient wollen sie nicht so genau wissen.

    Arbeitsplätze sind extrem wichtig, aber kein unabänderliches Menschenrecht auf Lebenszeit. Und schon gar nicht an einer bestimmten Stelle und Ort. Willkommen in der Wirklichkeit – einer traurigen Wirklichkeit in der sich zur Zeit sehr viele Menschen befinden. Und da hilft kein Weinen und kein Klagen. Und schon gar nicht Betteln.

  2. Das eigentliche Problem für diese innovativen Unternehmen liegt in einer schier endlosen Bürokratie und Lobbyarbeit die nie enden wird.

    So lange die Politik und deren Vertreter sich als Visionäre, Philosophen und Propheten fühlen und jeglichen Sachverstand für die von ihnen selbst angezettelten zukunftsweisenden Visionen vermissen lässt, solange wird es immer wieder solche Desaster in allen Bereichen des Lebens und der wirtschaft geben.

    Clevershuttle ist nur ein aktuelles Beispiel von vielen, die durchaus funktionabel gewesen wären, da sie nicht nur aus Preisgründen eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung gehabt hätten. Wenn man aber einen gnadenlosen Wettbewerb in dem Bereich der Anbieter selbst fördert und in den Städten wie etwa Berlin auch installiert braucht man sich zum Schluss nicht wundern wenn es dann zu solchen nicht gewollten Totalzusammenbrüchen kommt.

    Sicherlich ist Corana ein wesentlicher Faktor der dieses Aus beschleunigt hat, aber auch nicht der Einzigste!

    Auch das Argument Neues ausprobieren zu wollen zieht alleine nicht, wenn damit immer wieder aufs Neue menschliche Schicksale auf Spiel gestellt werden. Gerade heute in einer Zeit in der die aktuelle Politik versucht weltweit auf jedes einzelne menschliche Schicksal eingehen zu wollen ist dieses Entwicklung der Missachtung im eigenen Land erstaunlich.

    Es ist richtig, das in einer sogenannten freien Marktwirtschaft keine politischen Einflussnahme genommen werden sollte, aber wo ist das heute wirklich noch garantiert?
    Es ist auch richtig, das es keine Garantie für einen verbrieften Arbeitsplatz gibt allerdings sollte man dann wenigstens im Vorfeld einen politischen Rahmen setzen der auch und gerade wegen dem hohen Risiko in der Umsetzung eindeutige Bedingungen schafft um Wildwuchs, Preiskriege und Ungleichheit ausschließt.

    Da es jedoch nur um schnelle politische Erfolge der Parteien geht und um Wählerstimmen steht Geschwindigkeit vor durchdachtem Handeln. Auf die Folgen für die Arbeitnehmer die die Dinge umsetzen müssen wird keine Rücksicht genommen im Gegenteil man brüstet sich noch damit Arbeitsplätze geschaffen zu haben.

  3. Chris Teuber, ich war Fahrer bei Clever Shuttle. Zuvor habe ich Schwertransporte begleitet, für einen Hungerlohn und jede Menge Stress. Als ich meine Stunden gerechnet habe, kam ich stellenweise auf 8,30 Euro. Und die Kollegen und ich, wir haben alle unsere Fixkosten.
    Hier im Osten ist man nur Mensch 2. Klasse!

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