Per Zoom-Videoanruf hat Bird 400 Mitarbeiter aus dem Home-Office entlassen. Nun sind weitere Details durchgesickert.

Entlassung per Zoom: Eine ehemalige Mitarbeiterin von Bird packt aus

Die aktuelle COVID-19-Pandemie erschüttert die Mobilitätsbranche zutiefst. Um rund 30 Prozent musste Bird die eigene Belegschaft reduzieren, um die bevorstehende Zeit zu überstehen. Neulich wurden 400 Mitarbeiter über einen fragwürdigen Zoom-Videoanruf entlassen. Nun hat eine ehemalige Angestellte sich zur Situation geäußert.

Die aktuelle COVID-19-Pandemie erschüttert die Mobilitätsbranche zutiefst. Wie Handelsblatt berichtet, stehen den E-Scooter-Anbietern harte Zeiten bevor. Zum Schutz der Kunden und wegen sinkender Nachfrage hat Bird den Betrieb in Deutschland schon lange eingestellt. Um die bevorstehende Durststrecke zu überdauern, entließ Bird nach eigenen Angaben nun rund 30 Prozent der eigenen Belegschaft. So soll das eigene Kapital noch bis Mitte 2021 reichen, auch dann, wenn mit einer zeitnahen Wiederaufnahme des Betriebs nicht zu rechnen ist.

So hat Bird auch am vergangenen Freitag 400 Mitarbeiter über einen Videoanruf mit dem Tool Zoom entlassen. Bekannt geworden ist der Vorfall durch einen Tweet, der zunächst noch kein konkretes Unternehmen nannte.

https://twitter.com/mjnblack/status/1243641637420453889
Über diesen Tweet einer Freundin einer ehemals Angestellten wurde die Öffentlichkeit auf das Thema aufmerksam.

Sofort erntete der amerikanische E-Scooter-Anbieter für die Aktion zahlreiche Kritik von allen Seiten. Nun sind weitere Details von der im Tweet benannten Freundin selbst durchgesickert.

Wie die ehemalige Angestellte Jenny Li Alva in einem Beitrag auf Medium schildert, haben sie und 400 weitere Mitarbeitende gegen 9:30 Uhr ein Zoom-Meeting mit dem Titel “COVID Update” in ihrem Kalender vorgefunden, das sehr kurzfristig in nur einer Stunde stattfinden sollte. Zunächst vermuteten Jenny Li Alva und ihre Kollegen allgemeine Informationen zum weiteren Vorgehen.

Eine Kündigung in 90 Sekunden

Als eine Stunde darauf das Meeting begann, waren alle Mitarbeiter nach Alvas Beschreibung zunächst verwundert. Zu Beginn war nichts zu hören. Auch die Teilnehmerliste war diesmal nicht aufrufbar, die Identität des Präsentierenden wurde verschleiert. Über Birds Workspace auf Slack tauschten sie sich aus und gingen zu diesem Zeitpunkt noch von einem technischen Problem aus.

Die einzige Information, die sie bisher hatten, war eine Folie. Auf olivgrauem Untergrund war der Titel des Meetings in der Schriftart Arial zu lesen. Verwundert, dass weder Birds Markenfarbe, noch die hauseigene Schriftart verwendet wurden, konnte Jenny Li Alva nur abwarten.

Rund fünf Minuten nach halb elf sei eine Stimme zu hören gewesen, die maximal 90 Sekunden einen Text verlas, bevor das Meeting beendet wurde. An den genauen Wortlaut kann die ehemalige Mitarbeiterin sich nicht mehr erinnern, er soll ähnlich gewesen sein wie:

COVID has impacted our friends, families, and businesses in unprecedented ways. If you are on this call, it’s because your role at Bird is being impacted and your last day will be April 3rd. Please direct all questions to HR.

Gedächtnisprotokoll des Zoom-Meetings, mit dem Bird 400 Mitarbeiter entließ

Viele Kollegen vermuten die Nachricht, die sie im Meeting zu hören bekamen, als vorab aufgenommen. Einige gehen sogar soweit, die Stimme als blechern zu beschreiben und von einer computergenerierten Aufnahme zu sprechen. Dem kann und möchte sich Jenny Li Alva allerdings nicht anschließen, da ihr schlicht die Beweise fehlen.

Von einem Moment auf den anderen vom System getrennt

Sofort berieten sich die betroffenen Mitarbeiter auf Slack, doch nur fünf Minuten später mussten sie alle auf einmal zusehen, wie sich die Firmencomputer selbstständig abschalteten. Unmittelbar deaktivierte man auch ihre Slack-Konten. Zum Glück hatten einige von ihnen zuvor private Telefonnummern und E-Mail-Adressen ausgetauscht, so Jenny Li Alva.

Viele ihrer Kollegen haben das plötzliche Meeting nicht einmal mitbekommen, da wie in vielen Unternehmen, die in der Technikbranche tätig sind, jeden morgen zunächst der Stand der Dinge in sogenannten “Standups” besprochen wird. Diejenigen Beschäftigten wurden einfach mitten bei der Arbeit von ihren Computern abgemeldet, unwissend, was gerade passiert war.

Ebenso Alvas Vorgesetzter war nicht in die plötzlichen Entlassungen involviert. Als sie diesen kontaktierte, wusste er genauso wenig, wie sie selbst.

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Sexismus am Arbeitsplatz?

Rund 50 Mitarbeiter waren bei Bird vor der Krise mit der Datenanalyse beschäftigt. Nun seien nur noch fünf davon übrig geblieben. Auffällig sei, dass es sich bei den Überbliebenen in ihrem Team ausschließlich um Männer handelt, die meisten davon sollen laut Jenny Li Alva hellhäutig gewesen sein. Das schafft weitere Vorwürfe: Hat Bird diese Kriterien absichtlich herangezogen? Wurden Frauen und dunkelhäutige Mitarbeiter bei der Auswahl gezielt benachteiligt?

Was Bird dazu sagt

Gleich am Folgetag nach dem Tweet von Jenny Li Alvas Freundin, der den Ball ins Rollen brachte, äußerte sich auch Travis VandeiZanden zu den Vorwürfen. Auf Twitter teilte der Gründer von Bird mit, dass es sich nicht um eine Aufnahme gehandelt habe. Die Kameras seien im Meeting gezielt abgeschaltet worden, da dies als mehr human betrachtet wurde. Zugleich gestand er ein, dass einzelne Gespräche nachträglich die bessere Lösung gewesen wären.

Der CEO von Bird äußert sich zu den Vorwürfen auf Twitter.

Doch auch einzelne Gespräche hätten viele Fragen offen gelassen. Ob es fair ist, gerade in dieser Situation Mitarbeiter im Stich zu lassen, zweifeln viele an. Ein Modell wie die aus Deutschland bekannte Kurzarbeit gibt es in den USA zwar momentan noch nicht, doch einzelne Absprachen mit den Betroffenen hätten sicher eine rücksichtsvollere Lösung zustande bringen können,. Das hätte aus beiden Seiten erlaubt, zumindest das Bestmögliche aus der Situation zu machen.

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