Mobilitätsbudgets sind der neueste Schrei. Im Gegensatz zum klassischen Dienstwagen können Mitarbeitende damit ganz nach Bedarf entscheiden, wie sie morgens ins Büro kommen möchten. Das kann sich nach Wohnort, Lebenssituation, Jahreszeit oder Tagesplanung unterscheiden. Manchmal ist es praktisch, morgens mit dem Carsharing-Auto zu fahren, nach Feierabend aber bietet sich eher das E-Bike an, um schnell zu einer Verabredung in Büronähe zu kommen. Deshalb hat die multimodale Mobilität, vor allem in Städten, den Dienstwagen als neue Luxusklasse abgelöst. Vom DAX-Unternehmen SAP bis zum Start-up Lufthansa Innovation Hub haben es deshalb bereits viele Unternehmen eingeführt.
Das Mobilitätsbudget zahlt auf den Nachhaltigkeitsbericht ab 2025 ein, die Zeit läuft
Auch weil Arbeitgeber etwas tun möchten, um ihren CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Mit der Verschärfung der “Corporate Sustainability Reporting Directive” (CSRD) sind EU-börsennotierte Unternehmen ab dem Geschäftsjahr 2025 dazu verpflichtet, einen Nachhaltigkeitsbericht zur eigenen CO2-Bilanz erstellen. Genauso kann diese Regelung für nicht börsennotierte Betriebe gelten, wenn sie zwei von drei folgenden Kriterien erfüllen: mehr als 250 Beschäftigte, Bilanzsumme über 20 Millionen Euro oder Nettoumsatzerlöse über 40 Millionen Euro. In der EU werden damit 50.000 Unternehmen, deutschlandweit 15.000, zum Nachhaltigkeitsbericht verpflichtet.
Nachhaltigkeit zieht, vor allem bei jungen Talenten
Abgesehen davon ist Nachhaltigkeit längst mehr als ein Image-Thema oder, sondern es verspricht Unternehmen konkrete Wettbewerbsvorteile. Laut der Klimaumfrage der Europäischen Investitionsbank (EIB) ist für 81 Prozent der 20- bis 29-jährigen Deutschen die Haltung eines Unternehmens zum Klimaschutz ein wichtiges Kriterium, für jede:n Fünften (18 Prozent) hat dieser Aspekt sogar oberste Priorität. Wer junge Talente gewinnen möchte, muss im Bereich Nachhaltigkeit etwas vorweisen können.
Aber was, wenn der Zugriff auf das Mobilitätsbudget stagniert?
Manchmal kann es passieren, dass die Maßnahme nur von der Hälfte der Mitarbeitenden in Anspruch genommen wird. Das Potential liegt aber deutlich höher! In den meisten Fällen kann man hier mit einer smarten Kommunikationsstrategie und attraktiven Anreizen nachsteuern.
Erfolgsfaktor Mobilitätsanalyse: Sind die richtigen Mobilitätsoptionen im Portfolio?
Ich empfehle grundsätzlich vor der Einführung eine umfassende Mobilitätsanalyse und die meisten Unternehmen folgen diesem Hinweis auch. Aber oft werden im weiteren Verlauf bis zum Launch aufgrund von Budgetrealitäten und verschiedener Stakeholderinteressen die ursprünglichen Bedürfnisse der Mitarbeitenden nicht ganz abgedeckt. Es lohnt sich daher, noch mal zurück auf “Los” zu gehen und zu überprüfen, wie groß die Diskrepanz ist.
Insbesondere KI-gestützte Analysetools bieten die Möglichkeit, das schnell zu leisten. Diese können Daten über Wohnorte und Mobilitätswege automatisiert auswerten. So kann schnell ermittelt werden, ob und wie viele Mitarbeitende vom Angebot ausgeschlossen sind und entsprechend nachjustiert werden.
Erfolgsfaktor Kommunikationskampagne: Wissen denn überhaupt alle, dass Sie die Wahl haben?
Auf die Frage, welche Kommunikationsmaßnahmen denn begleitend zur Einführung geplant sind, höre ich oft folgenden Satz: “Wir schreiben dann eine E-Mail und informieren alle Mitarbeitenden”. Wenn der Zugriff auf das Mobilitätsbudget stagniert, kann es genau daran liegen. Die E-Mail wurde kurz überflogen und dann sofort wieder vergessen. Stattdessen, schnell weiter ins nächste Meeting. Im hektischen Büroalltag braucht es schon etwas mehr, damit ein neuer Benefit nicht nur wahrgenommen, sondern auch angenommen wird: Beispielsweise eine Serie im Intranet, in der Kolleg:innen zeigen, wie sie ihren ganz persönlichen Mobilitätsmix nutzen und welche Vorteile sie davon haben. Zusätzlich empfehlen sich Infoveranstaltungen, bei denen Mitarbeitende offene Fragen und Zweifel ausdrücken können. Das kann auch informeller umgesetzt werden, im Rahmen eines Lunchs oder eines Frühstücks, das am besten monatlich stattfindet. Wichtig ist auch, dass Mitarbeitende wissen, wer ihre konkrete Ansprechperson ist, falls sie es vorziehen, ihre Rückfragen unter vier Augen zu klären.
Erfolgsfaktor Nudging: Mit sanftem Anstupsen zur Gewohnheitsveränderung
Viele Mitarbeitende kennen das: Ihr Vorhaben ist es, sich heute in der Kantine am Salatbuffet zu bedienen und schwups, plötzlich haben sie doch noch das Schnitzel und die Pommes zusätzlich auf dem Tablett. Es ist manchmal nicht so leicht, Gewohnheiten zu ändern, obwohl sie nur Vorteile für uns bieten. Hierbei hat sich die Methode des sogenannten „Nudgings“ bewährt, damit gemeint sind sanfte Anreize und Erinnerungen zur Förderung bestimmter Verhaltensweisen. Eine Studie des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) beweist das: Über einen Zeitraum von acht Wochen wurden rund 300 Mitarbeitende eines Unternehmens regelmäßig mit Informationen und Vergleichsdaten zum Thema nachhaltige Mobilität bespielt. Danach sank die Nutzung von Autos um 38 % zu Gunsten alternativer Verkehrsmittel, wie Fahrräder und E-Scooter.
Erfolgsfaktor Testimonials: Wer das Top-Management einbezieht, wird Erfolg haben und gewinnt zusätzlich an Glaubwürdigkeit
Wenn Führungskräfte und Top-Management selbst die neuen Mobilitätsangebote nutzen, sorgt das oft für einen Boost. Zudem wird die Maßnahme glaubwürdiger. Gerade die junge Generation an Nachwuchskräften ist smart und wird es ziemlich schnell merken, wenn sie selbst mit E-Bike und Jobticket ins Büro kommt, aber das Top Management weiterhin von Berlin nach München den Flieger nimmt. Auch deshalb ist es wichtig, dass Führungskräfte ein inspirierendes Vorbild sind.
Erfolgsfaktor Framing: Die Vorteile des Mobilitätsbudgets können auch ganz anders erzählt werden
Nicht alle werden sich vom Aspekt der Nachhaltigkeit überzeugen lassen und das ist auch völlig in Ordnung so. Jede:r hat etwas anderes, das ihn antreibt. Manche machen sich mehr Sorgen um die eigene Gesundheit als um die Erderwärmung und genau hier kann man mit einem zweiten Narrativ ansetzen: Sitzen ist das neue Rauchen. Forschende der Sport-Hochschule Köln warnen davor, dass sich das Risiko für Krankheiten durch langes Sitzen erhöht, darunter fallen Typ-2-Diabetes und Bluthochdruck. Sanftes Nudging mit diesem Narrativ fördert klimafreundliche Mobilitätsoptionen, wie das E-Bike und hat positive Effekte auf die Gesundheit der Mitarbeitenden. Dabei ist es wichtig, in der Ansprache nicht dogmatisch zu werden. Mitarbeitende, die nach wie vor mit dem Auto kommen, sollen das selbstverständlich tun. Aber diejenigen, die Lust auf Veränderung haben, die gilt es anzuspornen.
Erfolgsfaktor Geduld: Dranbleiben zahlt sich aus
Die Kommunikationskampagne mit den entsprechenden Maßnahmen sollte großzügig geplant werden. Ich empfehle den Zeithorizont eines Jahres. Manchmal brauchen Veränderungen auch einfach etwas Zeit.
Über René Braun
René Braun ist CEO und Mitgründer von NAVIT, einer Mobilitätsplattform, mit der Unternehmen das gesamte Mobilitätsbudget ihrer Mitarbeitenden aufsetzen und verwalten können. Vor der Gründung von NAVIT arbeitete René Braun beim Lufthansa Innovation Hub und Bombardier.
Mobilität verändert sich.
Mit unserem wöchentlichen Newsletter bleiben Sie zu den Themen Car- und Bike-Sharing, zu E-Scootern, ÖPNV und allen anderen Mobilitäts-Trends auf dem Laufenden.