So unterschiedlich reagieren die deutschen ÖPNV-Anbieter auf die Maskenpflicht

In Zeiten der Corona-Pandemie zählen das Abstandsgebot und Alltagsmasken zu den wichtigsten Präventivmaßnahmen. Deshalb gilt deutschlandweit die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in öffentlichen Verkehrsmitteln. Wir haben erneut nachgefragt, welche Maßnahmen die einzelnen Anbieter zur Kontrolle der Maskenpflicht ergriffen haben.
Im ÖPNV gilt deutschlandweit: Maske auf! Credit: Tobias Donald Westphal
Im ÖPNV gilt deutschlandweit: Maske auf! Credit: Tobias Donald Westphal

In Zeiten der Corona-Pandemie zählen das Abstandsgebot und Alltagsmasken zu den wichtigsten Präventivmaßnahmen. Im Mai hat MOViNC mit den größten deutschen Anbietern für öffentlichen Personennahverkehr darüber gesprochen, wie sie die Auslastung ihrer Bahnen und Busse wahrnehmen und mit Maßnahmen zur Gewährleistung des Mindestabstands entsprechend reagieren.

Nun gilt deutschlandweit die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in öffentlichen Verkehrsmitteln. Wir haben erneut nachgefragt, welche Maßnahmen die einzelnen Anbieter zur Kontrolle der Maskenpflicht ergriffen haben. Auffällig ist, wie verschieden die Konzerne mit der Situation umgehen.

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Dieser Artikel soll nicht als Leitfaden verstanden werden, in welchen Verkehrsmitteln Verstöße gegen die Maskenpflicht nicht geahndet werden. Wie unabhängige Studien bestätigen, kann ein Mund-Nasen-Schutz die Weiterverteilung von Viren unterbinden. Tragen Sie daher bitte eine Alltagsmaske, wenn Sie öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Schützen Sie sich und andere.

Vorreiterin: Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) stellen die Weiche und machen mächtig Dampf

Im Kampf gegen die Corona-Pandemie nehmen die Berliner Verkehrsbetriebe von Anfang an eine Vorreiterrolle ein. Schon in unserer letzten Recherche waren sie der einzige Betrieb, der die Problematik überfüllter Züge erkannte, wenn auch keine direkten Maßnahmen ergriff.

Mit strikten Regeln und, Kontrollen und Appellen geht der Konzern gegen Maskenverweigerer vor. Jannes Schwentu, Pressesprecher der Berliner Verkehrsbetriebe, erklärt gegenüber MOViNC: „Wir haben ab dem Punkt, wo das entscheiden war, begonnen überall zu informieren, wo es möglich war. Wir haben die Information von Anfang an an unsere Fahrgäste gegeben und erinnern auch immer wieder daran.“ Zunächst habe man mit elektronischen Medien begonnen, um eine rasante Verbreitung der Information zu erzielen. Dazu zählen Hinweise in der eigenen App „BVG FahrInfo“, Aufrufe auf Fahrgastinformationsdisplays und Ansagen per Lautsprecher. Letztere habe man im Nachhinein noch mehrfach konkretisiert und die neuen Bestimmungen angepasst. Neu dazugekommen sind über 20.000 Aufkleber im Bodenbereich und an den Türen, Aushänge und ein eigens produzierter Werbespot.

Die BVG sind bekannt für ihre humorvollen Kampagnen: In einem Video machen sie auf die Pflicht aufmerksam.

Die BVG erklärt, man sei begeistert, wie gut die Maskenpflicht angenommen wurde. Eigene Erhebungen zeigen, dass mit Einführung der Maskenpflicht rund 95 Prozent der Fahrgäste die Regeln befolgten. Und das obwohl Berlin das erste Bundesland mit einer Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung war. Aber: „Die Bereitschaft hat doch merklich nachgelassen. Woran das liegt, ist schwer zu sagen. Zwischenzeitlich lagen wir bei so 80 bis 85 Prozent, mittlerweile wieder bei 85 bis 90 Prozent“, so Jannes Schwentu weiter.

Die Berliner Verkehrsbetriebe waren auch der erste ÖPNV-Anbieter, der die Pflicht selbst kontrolliert. In Absprache mit dem Senat haben die BVG das Maskengebot in ihrer Nutzungsordnung verankert und dürfen so eine Vertragsstrafe in Höhe von 50 Euro erheben – unabhängig von etwaigen Bußgeldern, die Orndnugsbehörden ausstellen. So zahlen Maskenverweigerer im ungünstigsten Falle unterm Strich gleich doppelt.

Schon zuvor hat der Sicherheitsdienst des Konzerns auf die Maskenpflicht hingewiesen, es fehlte aber eine Handhabe. Im Rahmen der täglichen Streifen kontrollieren nun 250 Mitarbeiter das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung. „Die Erfahrung ist, das sagt auch unser Sicherheitsdienst, dass die Leute sich da ertappt fühlen und sagen, stimmt, ich habe was falsch gemacht. Wir gehen davon aus, dass der Lerneffekt da ist“, erzählt uns ein Unternehmenssprecher telefonisch.

Ein Effekt der Kontrollen scheint da zu sein, das bestätigen die eigenen Beobachtungen: So tragen den BVG wieder mehr Menschen eine Maske als zuvor. In den ersten vier Tagen seit Einführung der Vertragsstrafe haben die Sicherheitsmitarbeiter mehrere tausend Leute angesprochen, aber nur rund 80 Strafen verhängt.

Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Der große Toleranz-Spielraun kann aber schnell dazu führen, dass Verweigerer ihre Maske gleich nach der Kontrolle wieder einstecken. Für eine langanhaltende Wirkung gehen auch die BVG als Vorreiter leider zu nachlässig vor.

Diese Unternehmen haben wir befragt

Wir haben die deutschlandweit größten Anbieter und Verbünde befragt, um uns einen Überblick zu verschaffen: Sind ähnliche Maßnahmen wie bei der BVG bereits umgesetzt oder zumindest in Vorbereitung?

Mit diesen Anbietern haben wir gesprochen. Klicken Sie einfach auf den Eintrag, um zur entsprechenden Stelle im Artikel zu gelangen.

Die meisten ÖPNV-Anbieter weisen auf Fahrgastinformationsdisplays auf die Maskenpflicht hin. Ein so ausgeklügeltes Informationskonzept wie die BVG haben aber nur wenige von ihnen. Credit: Tobias  Donald Westphal
Die meisten ÖPNV-Anbieter weisen auf Fahrgastinformationsdisplays auf die Maskenpflicht hin. Ein so ausgeklügeltes Informationskonzept wie die BVG haben aber nur wenige von ihnen. Credit: Tobias Donald Westphal

Deutsche Bahn

Die Deutsche Bahn entsendet regelmäßig Präventionsteams, die Fahrgäste für das Tragen einer Maske sensibilisieren sollen. Wenn ein Fahrgast keine eigene Maske dabei hat, erhät er eine kostenlose Einweg-Maske von den Mitarbeitern. Bis zu 300.000 davon verteilt die Bahn pro Woche. Das zeigt zwar, dass die Deutsche Bahn in die Sicherheit der eigenen Kunden und Mitarbeiter investiert, aber leider auch, wie viele Fahrgäste trotz der umfangreichen Hinweise in Zügen, an Bahnhöfen und online die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht befolgen.

„Wir setzen weiter auf die Kooperation, das Verständnis und die gegenseitige Rücksichtnahme aller Fahrgäste. Die überwiegende Mehrheit verhält sich verantwortungsbewusst und kommt der Pflicht, Mund und Nase zu bedecken, in unseren Zügen nach“, erklärt ein Bahnsprecher auf Anfrage. Sollten sich Reisende trotz Hinweis durch das DB-Personal weigern, Mund und Nase zu bedecken, binde man die zuständigen Ordnungsbehörden ein.

Dieses konsequente Vorgehen klingt wirksam, zugleich aber bei der schieren Anzahl von Fahrgästen nicht besonders praktikabel. Zum Vorgehen der Berliner Verkehrsbetriebe wollte sich die Deutsche Bahn auf Anfrage nicht äußern.

Hamburger Verkehrsverbund

Die Verkehrsunternehmen im Hamburger Verkehrsbund sensibilisieren Fahrgäste per Durchsage in den Fahrzeugen und an Haltestellen, auf dem eigenen Online-Auftritt und auf Aushängen und Displays. Ähnlich wie die BVG setzt der Verbund auf ein Video als adressatennahe Kampagne.

https://www.youtube.com/watch?v=XUIdbByaY_0&feature=youtu.be
Oma Erna reagiert im Spot des HVV auf Kommentare zur Maskenpflicht.

Die Einhaltung der Pflicht kontrollieren beim Hamburger Verkehrsbund die beauftagten Sicherheitsdienste. Zeigen Fahrgäste daraufhin keine Einsicht, werde man vom Hausrecht Gebrauch machen und sie von der Beförderung ausschließen.

Pressesprecherin Silke Seibel erklärt gegenüber MOViNC: „Derzeit liegt die Einhaltung im HVV bei rund 95 Prozent. Bei diesem hohen und derzeit konstanten Wert sehen die Verkehrsunternehmen und der HVV derzeit keine Notwendigkeit für weitere Maßnahmen. Sollte sich die Maskendisziplin verschlechtern, werden wir gemeinsam mit den Behörden eine mögliche Umsetzung weiterer Maßnahmen erörtern.“ Die zuständige Landesregierung hat bislang ebenfalls noch keine Bußgelder für Maskenverweigerer eingeführt.

Obwohl ein härteres Durchgreifen im Alleingang weniger sinnvoll erscheint, ist die fehlende Ahndung von Verstößen unfair gegenüber solchen Fahrgästen, die sich an die Pflicht halten und damit andere schützen. Das Ergreifen weiterer Maßnahmen durch die Landesregierung ist erforderlich. Schade ist dennoch, dass der HVV keinen Handlungsbedarf sieht.

Kölner Verkehrs-Betriebe

Gleich zu Beginn der Maskenpflicht haben die Kölner Verkehrs-Betriebe auf die geltenden Bestimmungen hingewiesen. Dazu wurden Durchsagen in den Fahrzeugen und im Haltestellenbereich, die eigene Onlinepräsenz und digitale Fahrgastinformationsanzeiger genutzt. Wie die Deutsche Bahn hat der Konzern an stark frequentierten Haltestellen kostenlos mehrere tausend Masken und Informationsbroschüren verteilt.

Der hauseigene Sicherheitsdienst und Servicemitarbeiter kontrollieren im Rahmen ihrer normalen Tätigkeit die Einhaltung der Maskenpflicht und sprechen Fahrgäste ohne Maske an. Viele Fahrgäste reagieren darauf nach eigenen Angaben unmittelbar, nur vereinzelt müsse man vom Hausrecht Gebrauch machen. Ebenso gibt es gemeinsame Streifen mit dem Ordnungsamt. Mit diesem spricht sich der KVV auch hinsichtlich der Orte ab, an denen verstärkt kontrolliert wird.

Wie ein Unternehmenssprecher mitteilt, können die Kollegen kein Bußgeld verhängen. Deshalb stehe man stets in Kontakt mit dem Ordnungsamt und agiere gemeinsam in vorab geplanten Streifen. Die Maskenpflicht ist bislang nicht in der Hausordnung der Kölner Verkehrs-Betriebe verankert. Der Konzern erklärt gegenüber MOViNC: „Ein Bestreben seitens der Ordnungsbehörden der Stadt Köln bzw. des Aufgabenträgers, dies für die KVB umzusetzen, ist derzeitig nicht zu erkennen.“

Positiv hervorzuheben ist seitens der KVB definitiv die funktionierende, weitreichende Kooperation mit den lokalen Ordnungsbehörden. Auch hier könnte eine Vertragsstrafe aber einiges an Aufwand ersparen.

Münchner Verkehrs- und Tarifverbund

Der Münchner Verkehrs- und Tarifverbund sammelt alle aktuellen Informationen in Bezug auf den Informationen rund um die Corona-Pandemie auf einer eigens eingerichteten Seite seiner Homepage. Zudem weise man mit Aushängen und wo technisch möglich mit Ansagen auf das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung hin. Ähnliche Maßnahmen haben auch die Münchner S-Bahn und die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) ergriffen.

Das Kontrollieren der Maskenpflicht überlässt der Verbund allein den Ordnungsbehörden. Das eigene Personal weist lediglich auf die Pflicht hin. Aktuell sei eine Aufnahme der Maskenpflicht in die Beförderungsbedingungen nicht geplant: „Stand heute halten wir eine Aufnahme in die Beförderungsbedingungen des MVV-Gemeinschaftstarifs nicht für erforderlich“, meint Pressesprecherin Franziska Hartmann für den Münchner Verkehrs- und Tarifverbund. Grundsätzlich schließe man diese Maßnahme aber nicht aus und werde die Lage weiterhin ständig beobachten.

Im Vergleich zu den anderen ÖPNV-Anbietern, die wir befragt haben, hat der MVV nur wenige Kommunikationsmaßnahmen ergriffen. Auch dass sich der Verbund allein auf die Ordnungsbehörden und die bayerische Landesregierung verlässt und kaum eigenständige Maßnahmen ergreift, ist angesichts der offensichtlichen Dringlichkeit von Kontrollen erschreckend.

Rheinbahn

Die Rheinbahn informiert ihre Fahrgäste über Aushänge, digitale Kanäle und Durchsagen in den Fahrzeugen und an Haltestellen bzw. auf Bahnhöfen. Auch sie hat bereits über 100.000 kostenlose Masken im Rahmen einer Aktion verteilt.

Fahrgäste, die sich nicht an die Regelung halten, werden zunächst auf ihr Fehlverhalten aufmerksam gemacht. Wenn diese nicht auf die Aufforderungen der Fahrer, Sicherheits- und Servicemitarbeiter bzw. Fahrausweisprüfer reagieren, machen diese vom Hausrecht Gebrauch. Eine Ahndung mit Bußgeldern findet aktuell nicht statt.

Der Ausschluss von der Beförderung ist ohne Frage eine wirksame Methode, lässt sich aber wahrscheinlich nur schwer kontrollieren. Dennoch versichert Pressesprecherin Katharina Natus für die Rheinbahn: „Das sind erfreulicherweise sehr seltene Fälle. Aktuell sehen wir, dass fast alle unsere Fahrgäste der Maskenpflicht eigenverantwortlich nachkommen.“ Konkrete Zahlen nennt das Unternehmen nicht.

Rhein-Main Verkehrsbund

Der Rhein-Main-Verkehrsbund informiert umfassend über Aushänge, Bodenaufkleber, Durchsagen und im Raum Frankfurt auch mit Videohinweisen auf den Fahrkartenautomaten. Ebenso kostenlose Masken hat der Bund abgegeben. Die Verkehrsunternehmen im RMV hat man aufgerufen, Kontrollen durchzuführen und bei Bedarf vom Hausrecht Gebrauch zu machen. Die Ahndung übernehmen die Ordnungsbehörden.

„An der grundsätzliche Verortung hoheitlicher Aufgaben bei den Behörden würde eine Änderung der rechtlich betrachtet nachrangigen Beförderungsbedingungen nichts ändern“, sagt Maximilian Meyer. Dass eine Vertragsstrafe durchaus umsetzbar ist, zeigt aber die der Berliner Verkehrsbetriebe.

Die Informationsmaßnahmen des Rhein-Main-Verkehrsbunds sind breit gefächert. Dass die Kontrolleure nicht handlungsfähig sind, ist schade. Mit beiden Maßnahmen in Kombination könnte man Maskenverweigerern wirksam entgegentreten.

Fazit: Jezt handeln!

Jeden Tag sieht man Reisende ohne Maske in der Bahn. Ein solches Verhalten ist nicht nur gefährlich für die Mitmenschen, sondern auch ungerecht gegenüber anderen, die die Verweigerer mitschützen. Die hohe Zahl von Verstößen zeigt, dass eindeutig Handlungsbedarf besteht und das Problem ohne härteres Durchgreifen nicht in den Griff zu kriegen ist. Doch noch ist der Zug nicht abgefahren: Jetzt ist die Zeit für ÖPNV-Anbieter und Verkehrsbünde gekommen, auf den Misstand reagieren und die Reise für alle Fahrgäste sicherer zu gestalten.

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