Free Now, einst als myTaxi zur Vermittlung von Taxi-Fahrten gestartet, wandelt sich immer mehr zum Allround-Vermittler von Mobilitätsangeboten und damit zur Plattform. Mit der Integration von Emmy in die eigene App, schließt das Daimler- und BMW-Joint-Venture damit den Kreis von Taxis über Mietwagen bishin zu Leihfahrrädern, E-Scootern und Mopeds. Im exklusiven Interview sprechen Silvia Fischer, Vice President Smart Mobility bei Free Now, und Valerian Seither, Co-Founder und CEO von Emmy, über ihre Partnerschaft – aber auch über die Mobilität der Zukunft.
Die Mobilitätswende ist längst da. Wenn auch nicht alle Autos auf alternative Antriebe umgerüstet haben, lässt sich doch vor allem in den Städten ein verändertes Mobilitätsverhalten feststellen – und zwar weg vom eigenen Auto hin zu Sharing-Angeboten. Hier spielt ganz vorne mit, wer viele Marktanteile abgreift – sei es durch ein eigenes Mobilitätsangebot oder aber als Plattform, über die Sharing-Dienste gebucht werden können.
Free Now ist als deutscher Uber-Konkurrent gestartet und vermittelt inzwischen ein ganzes Potpourri an Mobilitätsdiensten. Klar, die Taxis sind immer noch mit dabei, aber auch Mietwagen mit Fahrern (MOViNC berichtete über den Start) die unter der Marke Ride segeln. Auch Fremdanbieter sind über die App buchbar: E-Scooter von Voi, E-Bikes von Bond, Mietwagen von Miles und seit nun auch E-Mopeds von Emmy.
Matthias Bannert, Founding Editor von MOViNC, traf sich zum Interview über diese Kooperation mit Silvia Fischer, Vice President Smart Mobility bei Free Now, und Valerian Seither, Co-Founder und CEO von Emmy, per Videokonferenz.
[membership level=“0″] [/membership] [membership level=“1,2,3″ show_noaccess=“true“ ]Frau Fischer, neben Taxis, Mietwagen mit Fahrern, E-Scootern und Fahrrädern sind jetzt auch E-Mopeds über Free Now buchbar. Welche Strategie verfolgen Sie?
Silvia Fischer: Wir entwickeln uns weiter zu einer internationalen Plattform, die Mobilitätsverhalten befördern soll. Jeder Kunde soll die Auswahl zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern haben, die zu seinen Mobilitätsbedürfnissen passen. Wir glauben, in den Städten haben wir schon viel zu viele Autos und wahnsinnig viel Verkehr und deshalb macht es aus unserer Sicht Sinn, zentral auf einer App alle Verkehrsangebote auf einen Blick zu haben vom Taxi, Mietwagen über Carsharing bis hin zu Leihmopeds.
Ihr Kernangebot sind ja eigentlich Mietwagen und Taxis. Dort kann ich mich reinsetzen und werde gefahren. Bei Ihren Zusatzangeboten muss ich selbst fahren. Passt das zusammen?
Silvia Fischer: Ja, warum denn nicht? Die Bedürfnisse sind ja kontextabhängig. Also vielleicht fahre ich den Weg zur Arbeit gerne mit meinem Fahrrad, während ich dann auf dem Weg zum Flughafen am liebsten in ein Taxi steige.
„Ich würde uns als urbane Mobilitätsplattform bezeichnen.“
Silvia Fischer, Vice President Smart Mobility bei Free Now, zu MOViNC
Als was würden Sie Free Now denn bezeichnen? Sind Sie selbst Mobilitätsanbieter oder nur ein Vermittler von fremden Angeboten?
Silvia Fischer: Ich würde uns als urbane Mobilitätsplattform bezeichnen. Ähnlich wie bei Amazon, wo man Bücher von verschiedenen Herstellern kaufen kann, wird es bei uns Angebote von verschiedenen Transportunternehmen geben. Wir sind im Wesentlichen eine Plattform, eben kein Betreiber von Mobilitätsangeboten. Wir haben einen Marktplatz. Die Kunden kommen zu uns und bekommen dort die Bedürfnisse so bedient, wie die Stadt das eben hergibt.
Herr Seither, warum bieten Sie jetzt Ihre Mopeds über eine fremde App an und nicht primär über ihre eigene?
Valerian Seither: Über unsere eigene App werden die Roller natürlich weiterhin auch genauso verfügbar sein. Aber der Schritt, bei Free Now integriert zu sein, entspricht auch unserer Philosophie, denn wir sagen, unsere Roller sind zwar super praktisch für sehr viele Anwendungsfälle. Aber es gibt Zeiten und Situationen, wo ich nicht unbedingt auf den Roller steigen will. Wenn es draußen richtig schüttet, dann hab ich auch keinen Spaß daran, auf dem Roller zu sitzen, wenn ich gerade meinen wöchentlichen Großeinkauf gemacht habe, ebenso wenig.
Daher glauben wir, dass es für ein gelungenes Mobilitätskonzept in der Stadt so etwas bedarf wie einer App, mit der der Kunde immer das perfekte Fortbewegungsmittel zur Verfügung hat. Da sehen wir uns selbst schon seit jeher als einen Baustein und integrieren uns dann gerne ins Netzwerk von Free Now, um neben den anderen Alternativen auch noch zu erscheinen.
Aber verlieren Sie damit nicht auch den Zugriff auf Ihre Kunden und was vielleicht noch wichtiger ist auf die Daten?
Valerian Seither: Wir haben ja weiterhin unseren großen Kundenstamm, der dadurch nicht verloren geht. Natürlich muss man auch immer schauen, mit wem man denn zusammen so einen Verbund eingeht. Free Now ist ein Zugang zu einer viel größeren Kundenbasis und kann deswegen für uns Chancen eröffnen. Wir können so die Fahrzeuge, die wir ohnehin schon anbieten, noch einmal besser auslasten. Das heißt, es gibt Vorteile, die dafürsprechen. Und deswegen haben wir uns für den Schritt entschieden.
Frau Fischer, werden noch weitere Mobilitätsangebote folgen?
Silvia Fischer: Wir werden die gesamte Mobilitätslandschaft abbilden und in den nächsten Wochen auch noch weitere Angebote lancieren. Unter anderem denken wir auch über Angebote des öffentlichen Personennahverkehrs nach. Da darf man gespannt sein, was wir bald auf der Plattform sehen werden.
„Wir sind Überzeugungstäter“
Eine Frage an Sie beide. Was glauben Sie, wie sich die Mobilität in Deutschland entwickeln wird? Wohin geht die Reise?
Silvia Fischer: Ich glaube, Mobilität in Deutschland muss man ein differenziert betrachten. In den Städten sehen wir heute schon ganz stark den Trend, dass gerade die jüngere Generation zunehmend auf ein eigenes Automobil verzichtet, weil ein Auto in der Stadt eher hinderlich als hilfreich ist. Firmen denken grundsätzlich über Alternativen zum Geschäftswagen nach, nicht zuletzt wegen der Parkplatzsituation. Ich glaube schon, dass das Thema Sharing-Mobility in den nächsten Jahren noch deutlich prosperieren wird, dass es deutlich mehr und mehr auch genutzt werden wird und dass wir noch ganz neue Angebote sehen werden. Ich glaube ganz fest daran, dass der richtige Zugang zu den Angeboten über Plattformen ist. Wir haben uns für diese Strategie entschieden.
Mobilität verändert sich.
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Valerian Seither: Wir sehen ein sehr, sehr ähnliches Bild von der Mobilität der Zukunft. Genau deswegen sind wir eben auch 2015 mit emmy an den Start gegangen, weil wir gesagt haben: Mit den Öffentlichen geht leider häufig eine ganze Menge schief und man hat sich irgendwie so daran gewöhnt, dass die Straßen belegt sind von parkenden Autos, dass man täglich mit Stau an allen Ecken und Enden zu kämpfen hat und dass es dabei eigentlich auch einen anderen Ansatz geben muss.
So haben wir ein eigentlich für Deutschland ungewöhnliches Verkehrsmittel gesellschaftsfähig gemacht. Wir sind eben Überzeugungstäter in der Hinsicht, dass wir sagen, wir wollen selbst keinen Pkw mehr in der Stadt mehr besitzen. Gleichzeitig bin ich aber auch zu bequem, als dass ich nur den öffentlichen Nahverkehr nutzen möchten, sondern brauche auch diesen Komfort und die Freiheit.
Was denken Sie denn, wie die Städte darauf reagieren müssen?
Valerian Seither: Es gibt ein Bewusstsein dafür, dass Dinge bisher falsch gelaufen sind, die man korrigieren muss. Bei vielen Stadtverwaltungen und in der Politik habe ich das Gefühl, dass die Zeichen der Zeit erkannt wurden. Es ist natürlich nicht leicht der Stadtbevölkerung klarzumachen, dass das Auto, das Anwohner bisher zum Schnäppchenpreis parken konnten, nun teurer wird. Deswegen verstehe ich auch eine gewisse Zurückhaltung bei Kommunen, da drastischer durchzugreifen. Man wird ein paar unbequeme Entscheidungen treffen müssen, damit das private Auto in der Stadt nicht als normal angesehen wird, dass es zu hofieren gilt, sondern dass man sagt, es muss eher die Ausnahme sein.
Ihre beiden Angebote gibt es nur in ausgewählten Städten. Lassen Sie uns mal über den ländlichen Raum sprechen
Silvia Fischer: Es ist unsere Strategie, erst einmal im Kerngeschäft zu expandieren. In der Stadt haben wir traditionell viele Kunden, viele Geschäftsreisende. In Bezug auf die Verkehrswende muss man natürlich sehr stark über den ländlichen Raum nachdenken, das ist ja auch ein Auftrag des öffentlichen Verkehrs. Da gibt es auch diverse Sharing-Mobility-Konzepte, die sich ja ganz bewusst mit dem ländlichen Raum auseinandersetzen.
Valerian Seither: Wir konzentrieren uns erstmal auf die großen Städte, weil nur hier das Geschäftsmodell, so wie wir uns das überlegt haben, funktionieren kann. Ich glaube aber, es gibt Geschäftsmodelle, die auch im ländlichen Raum funktionieren können. Dafür bräuchte ich vielleicht auch die öffentliche Hand. Möglich ist das sicherlich. Man muss unser derzeitiges Modell ja nicht eins zu eins kopieren und von Berlin nach Buxtehude das gleiche Angebot stellen.
Welche Forderungen hätten Sie denn an die Politik?
Silvia Fischer: Aus unserer Sicht ist natürlich ein mobilitätsfreundliches politisches Umfeld, was Sharing Mobility und nachhaltige neue Verkehrskonzepte unterstützt, wünschenswert. Das bedeutet eine Menge Dinge. Es ist zum Beispiel beim öffentlichen Personennahverkehr wichtig, dass der Zugang zum Ticketing erleichtert und nicht monopolisiert wird von den Verkehrsträgern selber. Aber das ist nicht das einzige Thema. Wir müssen einheitlich als Gesellschaft, getrieben von der Politik, auf die Verkehrswende hinwirken, weil das eine große gesellschaftlichen Herausforderungen ist.
Valerian Seither: Uns stellt sich die Frage, wie man die Rahmenbedingungen dafür schaffen kann, dass bei dieser Umstellung eben nicht irgendwelche Gruppen benachteiligt werden oder das Gefühl haben, auf der Strecke zu bleiben. Es braucht jetzt Mut, wenn man darüber nachdenkt, wie man den Straßenraum, der seit den Fünfzigerjahren sehr für den privaten Pkw ausgelegt wurde, wieder umverteilt.
Meine letzte Frage geht wieder an Sie beide. Wenn Sie jetzt eine Vision von Deutschland 2025 formulieren dürften, wie sähe die aus? Wie bewegen wir uns fort? Wie sehen unsere Städte aus?
Valerian Seither: In meiner Vision haben wir bis 2025 schon gute Schritte nach vorne gemacht. Wir haben uns als Bürger einer Stadt mehr Straßenraum wieder zurückgeholt. Ein Raum, den wir dann für Freizeitaktivitäten weiter nutzen können, für eine schönere und ökologische Stadtgestaltung. Und das haben wir uns dadurch erschaffen, dass wir weniger Platz für ungenutzte Fahrzeuge nutzen. Das ist eine Vision, die schon relativ schnell Wirklichkeit werden kann, weil es die passenden Konzepte dafür gibt. Es muss nicht noch Technologie dafür weiterentwickelt werden. Somit ist meine Vision einfach eine lebenswerte Stadt, in der man lieber wieder Zeit draußen verbringt, ohne das gewohnte Stresslevel zu haben, an das man sich schon gewöhnt hat.
Silvia Fischer: Da kann ich mich ehrlich gesagt nur anschließen, vielleicht noch ein paar weitere Punkte: Ich sehe lebenswerte Städte mit weniger Autos, die rumstehen, im Stau oder am Straßenrand sind. Wir werden eine bessere Luftqualität haben weil wir viel mehr Elektromobilität nutzen. Und es wird einfach viele neue Mobilitätsformen geben, die verfügbar sind. Und letzten Endes werden die alle so integriert sein, dass jeder innerhalb von kürzester Zeit dann genau die Mobilität nutzen kann, die er benötigt und es so gar nicht mehr die Notwendigkeit gibt, ein Auto zu besitzen, was ja einerseits große Kosten mit sich bringt, auch für die Wartung und für die Instandhaltung, aber eben auch immer die Fragen: Wohin damit? Wie entsorgen? Und so weiter. Das heißt, wir befreien bis 2025, insbesondere die städtische Bevölkerung, von dem Zwang, ein Auto zu besitzen.
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